Jürgen erzählt in dieser Podcast-Folge die besondere Geschichte des beliebtesten Brettspiels der westlichen Welt: Schach.
Weshalb ausgerechnet Schach?
Wenn du das Wort Strategie googelst oder es in Bilddatenbanken eingibst, dann wirst du sehen, dass es stark mit einer Schachfigur assoziiert wird. Warum ist das so? Es lohnt sich, dass einmal genauer anzusehen und zu reflektieren.
Was fehlt im Schach, was in der realen Unternehmenswelt eine Rolle spielt, und wo gibt es Parallelen?
Obwohl Jürgen selbst kein Schachspieler ist, hat er sich sehr genau mit den Regeln des Spiels und der Theorie dahinter befasst.
Ein paar Eckpunkte zur Historie von Schach
Schach entstand bereits in grauer Vorzeit vor der christlichen Zeitrechnung um das 6. Jahrhundert. Es stammt aus Persien und leitet sich vom persischen Begriff Schah ab, was übersetzt der Herrscher oder König bedeutet.
Die Regeln wurden im Mittelalter entwickelt und aufgrund der Islamisierung der westlichen Welt rund um das Mittelmeer wurde Schach in Ländern wie Spanien sehr schnell im 18. Jahrhundert salonfähig.
Städte wie Paris und London entwickelten sich schließlich im 19. Jahrhundert zu Hochburgen für Schach. Kaffeehäuser wurden zu Schachhäusern und das Brett mit den 64 Feldern musste nicht mehr von zu Hause mitgenommen werden, sondern es war stets vor Ort. Heute ist Schach global bekannt – es gibt Turniere und Weltmeisterschaften.
Schach übertragen auf heutige Unternehmensstrategie
Die 64 Felder repräsentieren in der Unternehmenswelt den relevanten Markt bzw. das relevante Umfeld, in dem man sich bewegt. Dieses ist begrenzt. Es gibt zwei Spieler, die Gegner sind. In der Ökonomie spricht man dabei von einem Duopol: Zwei Spieler, die groß genug sind, um das Ergebnis zu bestimmen und zwischen denen common knowledge herrscht. Das bedeutet, dass das Wissen der Spieler unendlich miteinander verschachtelt ist (alle wissen, dass alle wissen, dass alle wissen… dass alle die gleichen Informationen haben).
Wie unterbricht man das? Durch Strategie und Taktik.
Es gibt ein gegebenes Set an Figuren. Die wichtigste Rolle spielt dabei der König. Das Ziel des Spiels ist es, den gegnerischen König Schachmatt zu setzen, sodass es keine Bewegungsmöglichkeit mehr für ihn gibt.
Hier liegt der Unterschied zum Unternehmensumfeld. Dort möchte man den Gegner nicht zerstören oder zu Fall bringen. Vielmehr geht es darum, besser als der Gegner zu sein und profitablere Kunden zu gewinnen.
Dennoch ist die Situation mit zwei Spielern höchst interessant, da es eine rein strategische Interaktion ist: Das, was man selbst tut, hat einen direkten Einfluss auf den Gegner und umgekehrt. Man ist stets interdependent. Die eigenen Positionierungen auf dem Schachbrett hängen davon ab, was der andere macht, während der andere weiß, dass es so ist und man selbst ebenso weiß, dass es so ist.
So versucht man sich im Schach so zu positionieren, dass man den Gegner möglichst schnell und gut ausschalten kann. Schachexperten denken dabei viele Züge voraus.
Eröffnung, Mittelspiel und Endspiel – die drei Teile eines Schachspiels
Eröffnung
Die Eröffnung basiert auf Erfahrung und Wissen, das man sich aus anderen Schachpartien angeeignet hat. Dabei sind die Eröffnungszüge nicht immer darauf ausgerichtet, selbst einen Vorteil zu erzielen, sondern manchmal wird beispielsweise ein Bauer geopfert, um später eine bessere Position zu erreichen.
Im Unternehmensumfeld ist dies vergleichbar mit dem Ausstieg aus einem Geschäftsfeld, um Ressourcen anderweitig einzusetzen.
Mittelspiel
Nach der Eröffnungsphase geht das Spiel erst richtig los, denn es bietet fast unendlich viele Möglichkeiten. Neben der Strategie spielt die Taktik eine äußerst wichtige Rolle: Strategie bindet, Taktik kann kurzfristig Dinge verändern.
Im Mittelteil ist besonders das strategische und taktische Denken gefragt. In der Unternehmenswelt ist man hier der Konkurrenz auf dem Markt ausgesetzt, was eine Überlegung der nächsten Schritte wie Investitionen, Abkündigungen etc. erfordert.
Im Schach ist dies gleichzusetzen mit dem Umwandeln der Figuren: Erreicht ein Bauer die Grundlinie, kann dieser in eine andere Figur umgewandelt werden.
Endspiel
Sind beim Endspiel nur noch wenige Figuren auf dem Schachbrett, kann der nächste Zug das Schachmatt bedeuten. Die Szenarien zu durchdenken hilft – think the unthinkable! Lerne, mit Krisensituationen umzugehen, Dinge zu opfern und konsequente Entscheidungen zu treffen. Dafür braucht es die richtige Strategie, um nicht kopflos zu sein.
Strategisches Denken und Handeln ist Agieren – wenn du deine Routinen so anlegst, dass du das übst, wird es dir in Krisensituationen ein großer Vorteil sein.
Die Erfahrungen aus dem Schachspiel im Strategiekontext sind zukunftsorientiert. Es ist unwahrscheinlich, dass die Zukunft so aussieht wie die Gegenwart. Deswegen kann auch nicht immer mit dem gleichen Eröffnungszug begonnen werden. Dieser hängt viel von Psychologie ab, also davon, wie der Gegner eingestellt ist, und nicht nur von rationalem Denken.
Wertigkeit und Funktion einzelner Mitarbeiter beziehungsweise Schachfiguren
Es zeigen sich also faszinierende Parallelen zwischen Schach und Unternehmensstrategie. Die Figuren auf dem Schachbrett repräsentieren die eigene Organisation. Der König stellt die Hauptentscheidungsträger einer Firma dar. Dann gibt es die Läufer, die mittlere Managementebene, die unterschiedliche Funktionen und Flexibilität haben. Die Mitarbeiter stellen die restlichen Schachfiguren dar. Interessant dabei ist, dass jede Figur eine unterschiedliche Wertigkeit hat.
Wettbewerb ist relativ. Wie man die eigenen Ressourcen einsetzt, hängt von den Aktivitäten der Mitbewerber am Markt ab. Auch im Schach sind die Ressourcen relativ zum Gegner. Dabei bleibt das Schachfeld, wie es ist. Es gibt die 64 Felder und es können – im Gegensatz zum Unternehmenskontext – keine weiteren Möglichkeiten von außen hinzugezogen werden.
Schachspiel hilft, strategisches Denken zu entwickeln. Besonders, wenn es um eine Situation mit einer direkten oder potenziellen Konkurrenz geht. Schach fördert das Antizipieren, das Vorausschauen. Ein Prinzip der Spieltheorie ist es, sich in die Lage des Gegenübers zu versetzen und das Spiel aus dessen Augen zu verstehen.
Wie wichtig ist es, den Strategie-Muskel zu trainieren und ist er überhaupt trainierbar?
Ja, der Strategie-Muskel kann trainiert werden! Das ist eine Botschaft, die Christian und Jürgen verbreiten möchten. Strategie muss zur Routine werden und das nicht automatisch, sondern mit stetem Nachdenken, weil sich das Umfeld permanent verändert. Wenn du gern spielst, kannst du deinen Strategie-Muskel mit Schach trainieren. Es hilft auch dabei, einen kühlen Kopf zu bewahren, wenn du dich in eine aussichtslose Lage hineinmanövriert hast.
Schachspielen gegen Computer und Simulatoren
Schach lässt sich nicht nur gegen Menschen spielen, sondern auch gegen Schachsimulatoren oder -computer. Den ersten Schachautomaten gab es bereits in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Er war mechanisch konstruiert und konnte selbständig Züge ausführen. Entstanden ist dieser am Hof der Kaiserin in Wien, weil ein Beamter und Automatenbauer die Kaiserin beeindruckten wollte. So wurde der Schachtürke gebaut, gegen den sogar Napoleon einst gespielt und verloren haben soll.
Fazit – Schachspiel und Unternehmensstrategie
Schachspiel trainiert. Die wesentliche Erkenntnis daraus ist: Man wird darauf vorbereitet, kreativ zu werden, denn man weiß nicht, wie der Gegenspieler denken und spielen wird. Selbst, wenn man Züge eingeübt hat, kommt es doch anders. Darauf muss reagiert werden. Nicht mit einem Schock, sondern mit agilen Lösungen.
Wir hoffen, dass wir dich dazu anregen konnten, strategische Züge öfter durchzuspielen und Strategie erlebbar zu machen. Im europäischen Mittelalter galt Schach als eine der sieben tugendhaften Fähigkeiten der Ritter. Vielleicht möchtest du sie dir aneignen und aus dem Spiel lernen.