#26 Nachhaltigkeit als Chance für den Mittelstand - Wie SSI Schäfer die Herausforderung ESG meistert

Nachhaltigkeit Mittelstand Herausforderung ESG

Strategieinterview mit Heiko Stötzel (SSI Schäfer) Anna-Lena Mayer (IR.on) und Fabian Kirchmann (IR.on)

Wer Visionen hat, der muss auch Taten folgen lassen.  

SSI Schäfer hat sich 2021 große Ziele gesetzt und letztes Jahr ihre Vision festgesetzt: Als Technologieführer möchten sie die nachhaltige Versorgung einer urbanisierten Gesellschaft mit Gütern und Waren ermöglichen.

Das geht natürlich nur, wenn man auch selbst daran arbeitet nachhaltig zu agieren.

Einzelmaßnahmen reichen hier schon lange nicht mehr aus. Um wirklich etwas zum positiven zu verändern braucht es eine gut durchdachte Nachhaltigkeitsstrategie, die tief in der Unternehmensstrategie verwurzelt ist.

Aber wie funktioniert das? Wie kriegt man Führungskräfte und Mitarbeiter ins Boot? Welche Unternehmensteile sind betroffen und wird Nachhaltigkeit eigentlich überall auf der Welt gleich verstanden?

Zu all diesen Fragen haben wir eine neue Podcastfolge mit Heiko Stötzel, Global Head Group Social Responsibility bei SSI Schäfer und Anna-Lena Mayer, sowie Fabian Kirchmann von IR.on aufgenommen. Eine Handlungsanleitung, wie ihr eure eigene Nachhaltigkeitsstrategie erstellt und unternehmensweit ausrollt, damit echten Impact erzielt und warum der Gesetzgeber euch vielleicht bald dazu zwingt, erhaltet ihr in unserer neuen Folge Hoffnung ist keine Strategie.
 

SHOWNOTES:

Christian Underwood https://www.linkedin.com/in/christianunderwood/

Heiko Stötzel https://www.linkedin.com/in/heiko-st%C3%B6tzel-676aa685/

Fabian Kirchmann https://www.linkedin.com/in/fabian-kirchmann-iron01/

Anna-Lena Mayer https://www.linkedin.com/in/anna-lena-mayer-1b4baba5/

SSI Schäfer Gruppe https://www.ssi-schaefer.com/de-de

Nachhaltigkeitsbericht SSI Schäfer Gruppe: https://www.ssi-schaefer.com/de-de/unternehmen/nachhaltige-loesungen/nachhaltigkeitsbericht-2021

IR.on AG https://ir-on.com/

Underwood GmbH https://www.underwood.de/

Hoffnung ist keine Strategie https://www.hoffnungistkeinestrategie.de/ 

HIKS Podcastfolge mit Steffen Bersch https://www.underwood.de/podcastfolgen/14-strategieinterview-strategieprozess-ist-lernprozess-fuer-alle

Das Buch Hoffnung ist keine Strategie hier vorbestellen https://www.underwood.de/shop/buch-hoffnung-ist-keine-strategie


Detaillierte Folgenbeschreibung:

Inhaltsverzeichnis

- Global Head Group Social Responsibility und HSE Heiko Stötzel - Informationen zur Person

- Thema Nachhaltigkeit bei SSI Schäfer

- Warum Unternehmen das Thema Nachhaltigkeit endlich angehen sollten

- Bewusstsein für nachhaltiges Handeln schaffen

- Erste Schritte im Nachhaltigkeitsprozess

- Erste Schritte im Prozess bei SSI Schäfer

- Das Involvement der Mitarbeiter*innen
- Regionale Unterschiede in der Interpretationen von Nachhaltigkeit
- Verschiedene Nachhaltigkeitsdefinitionen innerhalb Deutschlands

- Die weitere Vorgehensweise bei SSI Schäfer

- Klassische Stolpersteine
- Nachhaltigkeit funktioniert nur Zusammen

- Der Zeitraum, bis alle Standorte eingebunden sind
- Die aktuelle Situation im deutschen Mittelstand

- Der entscheidende Erfolgsfaktor zum Gelingen von Anna-Lena Mayer

- Der entscheidende Erfolgsfaktor zum Gelingen von Heiko Stötzel

- Der entscheidende Erfolgsfaktor zum Gelingen von Fabian Kirchmann

- Shownotes


In dem heutigen Strategieinterview spricht Christian Underwood mit gleich drei Experten. Zu Gast ist Heiko Stötzel, Global Head Group Social Responsibility und HSE der SSI Schäfer Gruppe. Die SSI Schäfer Gruppe ist der weltweit führende Anbieter von Produkten und Systemen für den innerbetrieblichen Materialfluss, die sogenannte Intralogistik. In rund siebzig operativen Gesellschaften an sieben Produktionsstandorten weltweit beschäftigt die Gruppe mit Hauptsitz im nordrhein-westfälischen Neunkirchen rund 10.000 Mitarbeiter*innen. Ein klassischer Hidden Champion.

Des Weiteren sind die Expert*innen für Investor Relations Sustainability und ESG von der Agentur IR.on aus Köln zu Gast. Das sind Anna-Lena Mayer, Head of Sustainability und ESG, seit sieben Jahren bei IR.on tätig und der Gründer Fabian Kirchmann, seit 22 Jahren CEO.
Eine absolute Premiere mit so vielen Gästen in einer Folge, aber es geht auch um ein wirklich großes Thema, dass nicht alleine bewältigt werden kann. Das ist das Thema Nachhaltigkeit oder auch ESG genannt. Im Folgenden werden wir genauer erklären was es damit auf sich hat. Da so ein großes Thema nicht im Alleingang im Unternehmen einfach gelöst werden kann, wollen wir auch verschiedene Perspektiven beleuchten - die Unternehmensperspektive und die Beratungsperspektive. 

Mehr von SSI Schäfer gibt es auch in der Podcastfolge mit Steffen Bersch, CEO der SSI Schäfer Gruppe, von Januar diesen Jahres. Diese ist auch nochmal in den Shownotes verlinkt. 

Global Head Group Social Responsibility und HSE Heiko Stötzel - Informationen zur Person

Bevor die Folge inhaltlich startet, wird Heiko Stötzel vorgestellt. Herr Stötzel besitzt ein Diplom der Universität Siegen für das Thema Wasserbau – ein absoluter Fachmann also! Zudem ist er Projektmanager, Sicherheitsingenieur und CSA Manager. Seit rund 13 Jahren beschäftigt er sich jetzt mit dem Thema Nachhaltigkeit und HSE. Vor SSI Schäfer war er HSE Manager bei der ALPINE Bau GmbH, MAN und der KHS GmbH. Insbesondere bei der KHS hat er das Thema Nachhaltigkeit global mitverantwortet und seit rund anderthalb Jahren treibt er das Thema nun auch global bei der SSI Schäfer voran.

Thema Nachhaltigkeit bei SSI Schäfer

Der Druck zu einer nachhaltigeren Handlungsweise kommt aus den zwei Dimensionen - der internen und der externen, wobei die externe sich insbesondere auf die Kund*innen bezieht. In der Intralogistik zum Beispiel im E-Commerce Bereich, ist jede Kilowattstunde, die bei Produkten gespart werden kann, eine wichtige Kilowattstunde. Dort wird natürlich versucht, mit den eigenen Produkten sehr weit vorne zu sein und diese entsprechend im Bereich Nachhaltigkeit weiterzuentwickeln. Allerdings ist der interne Bereich genauso wichtig. Das bedeutet: auch intrinsisch motiviert wächst der Druck. Mitarbeiter*innen sind sich mittlerweile wesentlich mehr bewusst, dass Nachhaltigkeit nicht mehr nur ein Trend ist, sondern eine eigentlich nie endende Reise. Täglich kann beobachtet werden, auch im Bereich der aktuellen globalen Konflikte, dass gespart werden muss - an Energie und an Gas. Insofern erwarten die Mitarbeiter*innen auch von dem Unternehmen einen Aktionsplan. Seit ungefähr anderthalb Jahren ist SSI Schäfer nun dabei dieses systematisch aufzuarbeiten und mehr und mehr in den Fokus des unternehmerischen Handelns zu stellen.


Warum Unternehmen das Thema Nachhaltigkeit endlich angehen sollten

Die Agentur IR.on hat sich als Investor Relations Beratung vor einiger Zeit das Thema ESG bewusst auf die Agenda geschrieben. Dabei gibt es unterschiedliche Arten wie Kund*innen auf IR.on zukommen. Die Agentur hat viele Kund*innen, die über den Kapitalmarkt finanziert sind. Diese sind in der Regel zwangsläufig etwas weiter bei dem Thema Nachhaltigkeit, da sie entweder seit 2017 unter die CSR Berichtspflicht fallen oder sie einem generellen Druck seitens der Investor*innen ausgesetzt sind, die sich häufig wünschen, das Unternehmen stärker über ihre Nachhaltigkeitsaktivitäten berichten. Wenn sich Unternehmen dann dazu entscheiden, Nachhaltigkeit nicht explizit in den Fokus zu rücken, kann dies unter anderem sehr schmerzhafte Konsequenzen haben, wie ein Beispiel eines Kunden von IR.on verdeutlicht. Dessen Aktienkurs war im letzten Jahr von dem einen auf den anderen Tag massiv eingebrochen. Zunächst wusste niemand so richtig, woher diese Entwicklung kam. Was war also passiert? Eine große internationale Ratingagentur hatte ein negatives ESG Rating veröffentlicht. Daraufhin hatten sich einige angelsächsische Investor*innen beziehungsweise mussten sich tatsächlich auch einige aus der Aktie verabschieden. Der Vorstand war davon sehr überrascht und hat das Thema anschließend sehr schnell auf die Agenda gehoben. Daran kann man deutlich sehen, welchen Einfluss Nachhaltigkeit auch am Kapitalmarkt nimmt. Bei nicht börsenorientieren mittelständischen Unternehmen hingegen bilden Unternehmen, wie beispielsweise SSI Schäfer mit einem hohen Fokus auf Nachhaltigkeit, noch die Ausnahme. 
 

Bewusstsein für nachhaltiges Handeln schaffen

In weniger nachhaltig orientierten Unternehmen braucht es zunächst das Bewusstsein, dass sich etwas ändern muss. Die gesetzliche Pflicht allein ist hier nicht ausreichend, das Bewusstsein muss vor allem auch intrinsisch motiviert sein und in den Köpfen der Menschen ankommen. Dem Unternehmen sollte bewusst werden, dass durch die Integration von Nachhaltigkeit in die Unternehmensstrategie die Organisation insgesamt resilienter und wettbewerbsfähiger wird. Dies betrifft zum Beispiel die Abhängigkeiten in der Lieferkette, aber auch das Thema Attraktivität als Arbeitgeber oder den Zugang zu neuen Finanzierungsmöglichkeiten wie zum Beispiel über Green Bonds. Es ergeben sich also vielfältige Vorteile, welche in den Köpfen der Leute ankommen müssen, sodass dies den Treiber für das Thema Nachhaltigkeit auslöst.


Erste Schritte im Nachhaltigkeitsprozess

Um das eigene Unternehmen nachhaltiger zu gestalten und das Thema ESG gut umzusetzen sollte in einem ersten Schritt eine Verantwortliche oder ein Verantwortlicher identifiziert werden. Oftmals müssen hier sogar neue Positionen geschaffen werden, da das Thema Nachhaltigkeit zu umfassend und wichtig ist, als dass es eine Person zusätzlich zu ihren Alltagsaufgaben meistern könnte. Es lässt sich definitiv nicht als Nebenjob deklarieren und es muss viel Arbeit investiert werden. An diesem Punkt wird der tatsächliche Aufwand aber häufig unterschätzt. Es ist zudem wichtig das Thema strategisch anzugehen. Viele Unternehmen betonen, dass auch sie schon auf den Bereich Nachhaltigkeit achten. Dort gibt es zwar oft auch gute Projekte, die umgesetzt werden, aber es fehlt häufig der strategische Hintergrund und die strukturierte Ausrichtung. 
IR.on beginnt mit seinen Kund*innen deshalb bei der Entwicklung einer Nachhaltigkeitsstrategie, die meistens mit einer Umfeldanalyse beginnt. Diese rückt zunächst die Peer Group und den Status Quo in den Vordergrund. Der nächste Schritt beinhaltet einen Management-Workshop, in dem die internen und externen Ansprüche verglichen werden, wie sich die Ausgangslage darstellt, wo das Ziel ist und wie sich der eigene Anspruch definiert. Will man Vorreiter sein und sehr viel Arbeit investieren oder genügt es die Anforderungen zu erfüllen und nicht negativ aufzufallen? Wenn diese Basis gelegt wurde, kann mit der richtigen Strategieentwicklung begonnen werden. Zu diesem Zeitpunkt können auch die Stakeholder, durch beispielsweise Interviews oder Online-Befragungen, eingebunden werden. Im Anschluss erfolgt eine Wesentlichkeitsanalyse und wenn die wesentlichen Themen stehen, werden die Handlungsfelder, Ziele und Maßnahmen definiert.

Erste Schritte im Prozess bei SSI Schäfer

Herr Stötzel ist seit etwa anderthalb Jahren, bei der SSI Schäfer tätig. Fast zeitgleich wurde die neue Unternehmensstrategie, somit auch das neue Leitbild der Gruppe, verkündet. 

> Für alle, die an diesem Prozess genauer interessiert sind, verweisen wir gerne noch mal den Podcast mit Steffen Bersch. < Bei SSI Schäfer wurde Nachhaltigkeit bereits im Leitbild, der Vision und den strategischen Prioritäten verankert und befindet sich damit mitten im Herzen der neuen Gruppenstrategie. Für Herrn Stötzel erwies sich diese Ausgangssituation als ungemein hilfreich, weshalb sich dies auch als Startpunkt empfiehlt. 

Um zu definieren, wie mit dem Thema Nachhaltigkeit weiter verfahren wird, fand zu Beginn ein Management-Workshop auf C-Level-Ebene statt. Im Anschluss folgte, mit der Hilfe von IR.on, die Stakeholderanalyse, in der interessierte Parteien durch Interviews und Fragebögen befragt wurden. Aus den Rückmeldungen wurde entsprechend die Materialitätsmatrix gebildet, also eine Wesentlichkeitsanalyse getätigt, die bis hierher zweidimensional verlief. Um diese dreidimensional zu gestalten, wird sie an das C-Level weitergegeben und, unter Prüfung der Geschäftsrelevanz, konkrete Themenbereiche und Handlungsfelder erarbeitet. Diese erarbeiteten Handlungsfelder werden dann kategorisiert und in die jeweiligen Kernfunktionen im Unternehmen wie HSE, Compliance, Einkauf, Forschung und Entwicklung und dergleichen, aufgenommen. Im Anschluss wird eine Roadmap erarbeitet, bei der definiert ist, was jeder Bereich zum Thema Nachhaltigkeit beitragen kann, wer verantwortlich ist und wie die Timings aussehen.

Das Involvement der Mitarbeiter*innen

Auch seitens der Mitarbeiter*innen steigt der Druck auf Unternehmen nachhaltiger zu agieren weiterhin an. Daher gilt es nach den Analysen und dem Festlegen der Roadmap neben den bis dahin getätigten Top-Down Entscheidungen eine gute Mischung zu finden, um auch die Mitarbeiter*innen an Bord zu holen und richtig einzubinden. 
Herr Stötzel hat den bisherigen Prozess im top-down-Ansatz, im Verborgenen durchgeführt. Natürlich gab es gelegentlich lokale Projekte, die wahrgenommen wurden, aber man fokussierte sich eher darauf Input für die Mitarbeiter*innen zu generieren und damit eine Geschichte erzählen zu können. Nachdem die inhaltliche Arbeit abgeschlossen wurde ist es dann wichtig, dass die Bereiche mit dem jeweiligen Ansatz in die so genannten Communities geht und die Mitarbeiter*innen involviert. 

 

Zu diesem Zweck fand ein Pilotprojekt in einem der Werke von SSI Schäfer in Simpang/Malaysia statt. Dort wurde gemeinsam mit den Mitarbeiter*innen, deren lokale Mikrokosmosstrategie im Bereich der Nachhaltigkeit entwickelt und alle lokalen, relevanten Funktionen bedacht. Es wurden Ziele festgelegt und bedeutende Themen in Malaysia und Simpang zum Thema Nachhaltigkeit herausgearbeitet. Zudem musste zunächst  geklärt werden, was Nachhaltigkeit in diesem Kontext in Malaysia bedeutet, da sich die Situation hier signifikant von der in Deutschland oder Europa unterscheidet. Nach dem Abarbeiten der Schrittfolge gibt es nun auch dort einen Aktionsplan, der mit entsprechenden Maßnahmen und Terminen hinterlegt ist. Wenn das Projekt erfolgreich ist, wovon ganz stark ausgegangen wird, werden sie es anschließend auch an anderen Standorten weiterführen und den Piloten unter anderem auch in Versammlungen kommunizieren, sodass die Mitarbeiter*innen an der Basis mitbekommen, dass sich etwas im Unternehmen verändert.


Regionale Unterschiede in der Interpretationen von Nachhaltigkeit

Ein Beispiel der unterschiedlichen Interpretation von Nachhaltigkeit in Malaysia ist Herrn Stötzel im Bereich des Palmöls besonders in Erinnerung geblieben. Das Land investiert sehr stark in diesem Bereich, da es eines der wichtigsten Exportgüter ist. Ganze Strecken im Land sind ausschließlich mit Palmen zur Palmölherstellung bepflanzt. Daraufhin hat Herr Stötzel bei den regionalen Kolleg*innen nachgefragt, ob für diese die Monokultur in irgendeiner Weise ein Problem darstellt. Dort entgegnete man ihm mit relativem Unverständnis. Also das Thema Monokultur spielt zum Beispiel in Malaysia eine relativ kleine, unbedeutende Rolle. Das regionale Verständnis ist einfach ein anderes. Dadurch ist es umso wichtiger erst einmal nachzuforschen und mit den Leuten in die Diskussionen zu gehen, was Nachhaltigkeit für sie individuell bedeutet. Bei dem Thema Energie sparen zum Beispiel ähneln sich die Ansichten aus Malaysia und Europa. Auch die soziale Säule der Nachhaltigkeit spielt dort eine tragende Rolle. Es konnten also auch schnell gemeinsame Nenner identifiziert werden, sodass man in einen sehr guten Dialog miteinander kommen kann.

Ähnliche Erfahrungen bezüglich regionaler Unterschiede in der Definition von Nachhaltigkeit haben auch Fabian Kirchmann und Christian Underwood in China gemacht, die sich vor allem in den Bereichen der CO2-Vermeidung und grüner Strom äußerten. Man muss also immer individuell im regionalen Kontext entscheiden und Akzeptanz im kulturellen Umfeld finden.


Verschiedene Nachhaltigkeitsdefinitionen innerhalb Deutschlands

Auch innerhalb Deutschlands fällt es zum Teil schwer, eine einheitliche Definition von Unternehmen zu Unternehmen zu finden. Es lassen sich auch innerhalb der Branche und in der Größe der Unternehmen deutliche Unterschiede erkennen. Dann ist vor allem entscheidend, wo die Standorte des Unternehmens sind. Bei Unternehmen mit starkem Fokus auf Europa oder den deutschen Markt, ist die Herausforderung einen gemeinsamen Nenner zu finden und alle Mitarbeiter*innen abzuholen geringer, da das Verständnis sich ähnelt. Bei einem Unternehmen wie SSI Schäfer mit 70 Standorten ist dies hingegen deutlich schwieriger. Dort muss man wirklich ins Detail gehen, um auch alle abzuholen.


Die weitere Vorgehensweise bei SSI Schäfer

Zurück zum Pilotprojekt in Malaysia: Nach dem erfolgreichen Start eines solchen Projektes kann im weiteren Vorgehen nicht der Reihe nach der Piloten einfach auf alle Standorte ausgerollt werden. Es muss dabei immer Rücksicht auf die Organisation genommen werden und individuell entschieden werden, wie bereit sie dafür ist. Zunächst wird also der Pilot zu Ende geführt, die Maßnahmen verfolgt und Ergebnisse dokumentiert. Dann wird das Communitymodell nach und nach pro Standort ausgerollt. Nebenher passieren natürlich auch noch viele andere Dinge, wie beispielsweise die Auseinandersetzung mit den eigenen Emissionen innerhalb der Werke oder andere lokale Maßnahmen, die unabhängig des Communitymodells laufen. Außerdem geht es darum in die Prozesse innerhalb der Firma einzugreifen und Nachhaltigkeit dort zu etablieren. Denn von Exzellenz lässt sich nur sprechen, wenn Nachhaltigkeit bereits schon in den Prozessen gedacht ist. In diesem Fall ist die Nachhaltigkeit schon fester Bestandteil des unternehmerischen Handelns und keine “Sonderarbeit” mehr. Für SSI Schäfer stellt dies die weitere Vorgehensweise dar. Eine noch bevorstehende große Herausforderung stellt der Aufbau einer globalen Datenbasis dar. Der aktuelle Nachhaltigkeitsbericht bezieht sich zunächst auf die 18 größten Einheiten von SSI Schäfer. In einer weiteren Folge muss natürlich das Ziel sein, dies global auszurollen, wofür dann eben diese Datenbasis nötig ist.

Der Nachhaltigkeitsbericht von SSI Schäfer ist nach Veröffentlichung in den Shownotes verlinkt. Hier erhält man dann einen Eindruck, wie ein solches Ergebnis am Ende aussieht, denn das Reporting alleine ist für viele Unternehmen bereits ein Grund, wieso man diesen Prozess anstoßen muss.

Klassische Stolpersteine

Wenn ein mittelständisches oder auch kleines Unternehmen in so einen Prozess einsteigt, gibt es immer auch klassische Stolpersteine.

Der ganze Prozess ist durch die Strategieentwicklung und die Umsetzung mit einem enormen zeitlichen Aufwand verbunden. Dies wird Unternehmensseitig zu Beginn häufig unterschätzt. Bei IR.on wird deswegen am Anfang direkt ein gewisses Erwartungsmanagement mit den Kund*innen betrieben und vermittelt, dass eben dieser zeitliche Aufwand und auch die personellen Ressourcen notwendig sind. 

Ein Beispiel stellt die Einbindung der Stakeholder dar. Viele Verantwortliche sind der Meinung, dass sie ihre Stakeholder bereits intensiv kennen. Der Vertrieb spricht regelmäßig mit Kund*innen, mit potenziellen Kund*innen und auch die Mitarbeiter*innen werden durch Mitarbeitergespräche abgeholt. Dadurch wird antizipiert, dass alles was Kund*innen, Banken, und andere Stakeholder wollen, bekannt ist, ohne aber jemals strukturiert über das Thema Nachhaltigkeit gesprochen zu haben. Natürlich gibt es auch Dauerbrenner in jeder Branche, wie beispielsweise den CO2-Fußabdruck. Man erlebt aber immer wieder, dass viele neue Erkenntnisse und Aspekte durch eine strukturierte und intensive Stakeholderbefragung  zutage kommen. Mit diesen wertvollen Informationen kann die Strategie unterfüttert und ein Mehrwert innerhalb des Unternehmens generiert werden. Die Management-Ebene fokussiert sich meist besonders auf das Thema Nachhaltigkeit. Verständlich, denn das Thema ist aktuell in aller Munde. Häufig haben die Leute allerdings den Eindruck, dass ESG nur aus einem Buchstaben besteht und sich lediglich auf die E (Environment)-Ebene berufen wird. Im Austausch mit den Stakeholdern bemerkt man aber vielfach, dass auch die sozialen Anforderungen besonders wichtig sind - einerseits im Unternehmen, aber auch in der Lieferkette. In mittelständischen Unternehmen ist die Datenlage einfach noch nicht genügend ausgereift, hier muss man, je nach verfolgtem Standard, ziemlich in die Tiefe gehen. Das Stichwort Datenerhebung ist für viele Unternehmen ein weiterer Stolperstein. Beim Aufbau der Datenerfassung sollten sich viele Fragen gestellt und Gedanken gemacht werden. Diese Datenbasis, die dort geschaffen wird und das System dazu, muss für die nächsten Jahre Bestand haben können. Es muss gefüttert und erweitert werden und im Idealfall auch automatisiert werden. Im besten Fall löst man sich von den Exceltabellen und setzt das Ganze IT-seitig um. Das bedeutet dann aber auch, dass die IT-Systeme überarbeitet und angepackt werden müssen, sodass die Erhebung von Nachhaltigkeits-KPIs möglich ist. Der zeitliche Faktor wird auch hier häufig unterschätzt. Die Ressourcen sind also ein wesentlicher Aspekt,  der bedacht werden muss - nicht nur in Zeit, auch in Mitarbeiter*innen.


Nachhaltigkeit funktioniert nur gemeinsam

Es ist niemals nur eine Person allein für Nachhaltigkeit  im Unternehmen verantwortlich. Herr Stötzel hat es sich selbst zu einer Hauptaufgabe gemacht, den Mitarbeiter*innen zu vermitteln, dass ESG jeden etwas angeht. Es mag eine Stabstelle geben, welche die Strömungen innerhalb des Unternehmens zusammenzuführt und filtert, aber Nachhaltigkeit an sich sollte nicht auf ihn als Person projiziert werden. Alle zusammen müssen sich der Verantwortung des nachhaltigen Handelns stellen. Insbesondere die Prozesse müssen nachhaltig gestaltet werden und erst dann kann Exzellenz in diesem Bereich erreicht werden. Automatisierte Prozesse, etabliert in eine Unternehmenskultur sichern, dass Nachhaltigkeit von vornherein in allen Entscheidungen berücksichtigt wird.


Der Zeitraum, bis alle Standorte eingebunden sind

Um alle Länder und Standorte von SSI Schäfer an Bord zu bekommen, rechnet Heiko Stötzel aktuell mit einem Zeitraum von circa 3 - 5 Jahren. Dies ist auch der Zeitraum bis die kulturelle Entwicklung so weit ist, dass Nachhaltigkeit überall etabliert werden kann. Schließlich soll nicht nur eine Geschichte erzählt werden, sondern auf die Worte sollen auch nachhaltige Taten folgen.

Die aktuelle Situation im deutschen Mittelstand

Bei deutschen mittelständischen Unternehmen ist die Tragweite des Themas Nachhaltigkeit bei Unternehmenslenker*innen oft noch nicht wirklich erkannt worden. Wie Fabian Kirchmann aus Gesprächen mit Unternehmer*innen berichtet, sind viele der Ansicht, dass sie in diese Richtung schon genug unternehmen. Oft sind hiermit aber nur Einzelmaßnahmen gemeint. Diese sind durchaus gut, wirklich löblich und wichtig, aber es reicht eben nicht aus. Spätestens wenn die neue CSR Berichtspflicht kommt und damit der Nachhaltigkeitsbericht Bestandteil des Lageberichts wird, müssen die Unternehmen umdenken. Dann werden Wirtschaftsprüfer*innen nachfragen, warum diese oder jene Nachhaltigkeitsmaßnahme im Unternehmen vorgenommen wurde oder wieso das Thema Nachhaltigkeit in der Produktentwicklung noch nicht ausreichend berücksichtigt wurde, und das muss begründet werden können. Das heißt: Es braucht einen systematischen Ansatz, wie Nachhaltigkeit im Unternehmen angegangen wird. Stakeholder müssen einbezogen werden, eine Entwicklung der Strategie sollte vorangetrieben und konkrete Ziele und KPIs festgelegt werden, damit die erzielten Fortschritte auch messbar und nachvollziehbar sind. Das ist das absolut entscheidend und muss in den Köpfen ankommen. Bis dahin ist aber noch ein weiter Weg zu gehen.


Der entscheidende Erfolgsfaktor zum Gelingen von Anna-Lena Mayer

Es ist vor allem enorm wichtig die personellen und zeitlichen Ressourcen realistisch einzuschätzen. Für die Strategieentwicklung, bis die Ziele klar feststehen, muss einfach ein Zeithorizont von 6 - 8 Monaten eingeplant werden, bevor in die Umsetzung gestartet werden kann. Der erste Nachhaltigkeitsbericht benötigt im Anschluss ebenfalls noch einmal 4 - 6 Monate. Es müssen Daten erhoben und gesammelt, Texte geschrieben und Mitarbeitergespräche geführt werden. Wer dies bisher noch nicht strukturiert angegangen ist, sollte am besten heute starten, um wirklich gut gewappnet zu sein, wenn es dann wirklich zu der Berichtspflicht kommt.

Der entscheidende Erfolgsfaktor zum Gelingen von Heiko Stötzel 

Nachhaltigkeit ist eine unglaublich interdisziplinäre Funktion. Zum einen sollte das Thema nicht auf eine Person projiziert werden und zum anderen sollte die Organisation für den Start bereit sein. Die verantwortliche Person oder auch die Funktion muss Zugang zu anderen Funktionen haben. Es werden Daten benötigt, aber auch der Wille etwas beizutragen. Die Organisation muss darauf vorbereitet sein, was beispielsweise durch viel Kommunikation und Workshops erreicht werden kann. Wenn es einen Compliance Officer gibt, muss dieser wissen, dass er kontaktiert wird. Der Einkauf stellt eine weitere wichtige Schnittstelle dar. Hier finden sich viele Potenziale im Bereich der Lieferkette. Es muss zudem eine Datenlage geschaffen werden, die das Unternehmen nachhaltig messbar macht. Aber auch die Nachhaltigkeit an sich muss nachhaltig sein. Wenn man also zu schnell vorgeht und die Organisation überfordert, macht man im Bereich Nachhaltigkeit in der sozialen Säule wieder einen Rückschritt und überfordert die Stakeholder. Insofern ist Vorbereitung ein wichtiger Punkt mit dem man lieber heute als morgen startet. Man muss es einfach angehen.

Der entscheidende Erfolgsfaktor zum Gelingen von Fabian Kirchmann

Zu den anderen Ratschlägen hinzukommend, ist es auch ganz wichtig, dass das Management wirklich mit an Bord ist. Das C-Level sollte die eigene Strategie, Werte, Leitbild und auch das Thema Nachhaltigkeit im Unternehmen wirklich vorleben, sodass sie auch authentisch und glaubwürdig kommunizieren können, nicht nur nach außen, sondern auch in die Organisation hinein. Deshalb muss die Unternehmensführung auch von Anfang in den Prozess integriert werden. Man startet mit dem Managementworkshop, baut die Roadmap und das ist entscheidend.