#40 Vom kommunalen Energieversorger zur Plattform der Energiewende

#40 Vom kommunalen Energieversorger zur Plattform der Energiewende

Im Strategieinterview berichtet badenova Co-CEO Hans-Martin Hellebrand über die nur zweijährige Reise kommunalen Energieversorgers mit mehr als hundertjährigen Wurzeln zur digitalen Plattform der Energie- und Wärmewende in Süddeutschland. Christian Underwood und Prof. Dr. Jürgen Weigand gehen dabei seinem Erfolgsgeheimnis dieser strategischen Neuausrichtung auf den Grund: Vom partizipativem Strategieprozess, über die geteilte Führung im höchsten Unternehmensamt bis zum agilen Zielmanagement mit Objectives & Key Results (OKR).

Vom IT-Controlling ins Innovationslabor im Silicon Valley und zum Energieversorger

Hellebrands bemerkenswerter Werdegang umfasst ein Diplom in Betriebswirtschaftslehre von der Universität Bielefeld und den Einstieg ins Controlling bei RWE Systems im Jahr 2006. Mit kontinuierlicher Verantwortung und Führungsqualitäten wurde er schließlich zum Senior Vice President Group IT Controlling ernannt. Seine Passion für Innovation und technologischen Fortschritt führte ihn als SVP Global Innovation & Cooperation zur Innogy, wo er maßgeblich die Gründung und Entwicklung des InnovationsHUB im Silicon Valley vorantrieb. Nebenbei absolvierte er erfolgreich seinen Executive Kellogg-WHU MBA und das CIO-Programm der WHU. Nach drei Jahren in den USA kehrte er 2018 nach Deutschland zurück, um als Geschäftsführer den Wachstumskurs des Energiediscounters eprimo zu begleiten. Seine Leidenschaft für die digitale Transformation in der Energiewirtschaft führte ihn schließlich im Juli 2021 als Co-CEO zu badenova.

Zielbild: Gestaltung der Energie- und Wärmewende für eine lebenswerte Zukunft

„Für eine lebenswerte Zukunft gestalten wir die Energie- und Wärmewende. Mit der Region, für die Region.“  So lautet das WHY des Unternehmens. Doch was bedeutet das im Einzelnen? Hans-Martin Hellebrand erklärt, dass das Zielbild badenovas darin besteht, die nachhaltige Energiewelt von Morgen zu gestalten. Dabei sollen alle Aspekte der Energiewelt, einschließlich der Transformation des gesamten Energiesystems und der Lebensenergie Wasser, berücksichtigt werden. Ein besonderer Fokus liegt dabei darauf, dieses Ziel gemeinsam mit der Region für die Region anzugehen. Denn der Umbau des Energiesystems erfordert die Mitarbeit von vielen Beteiligten und liegt nicht nur in den Händen des Energieversorgers. Damit diese Zusammenarbeit optimal gelingt, organisiert badenova - neben dem klassischen Auftrag für die Versorgung mit nachhaltiger Energie, Wärme und Wasser – die Energielösungen für Privathaushalte in einer digitalen End-to-End Plattform. So werden alle notwendigen Partner für die dezentrale Energiewende beim Kunden zu einem ganzheitlichen Angebot optimal ausgesteuert.

“ Wir müssen alle an einem Strang ziehen, damit Energiewende möglich wird.”

Hellebrand betont, dass das Zielbild von badenova auf dem “Golden Circle” von Simon Sinnek basiert. Dies beantwortet die Fragen: Wer sind wir? Wo wollen wir hin? Dabei habe  man sich bewusst für die Formulierung "Zielbild" (und nicht „Purpose“ oder ähnliches) entschieden, um  den Kern für die Belegschaft verständlicher zu machen: Das Zielbild dient als Orientierungspunkt für alle Mitarbeitenden und gibt ihnen jeden Tag die Energie und Zuversicht, sicher voranzuschreiten.

Er erklärt, dass es ihr Ziel ist, die Energie-Zukunft zu gestalten, indem sie sich vom derzeitigen System der fossilen Brennstoffe auf eine bessere Zukunft zubewegen, aber nicht auf eine dogmatische Art und Weise. Sie wollen ihre Kunden in diese Reise einbeziehen und ihnen beim optimalen Übergang zu nachhaltiger Energie helfen.

Innovations- und Digitalisierungsangebote im Portfolio von badenova

Christian interessiert, ob Hellebrands Zeit in Silicon Valley sich in innovative, digitale Produktideen für badenova übersetzt hat. Hellebrand erklärt daraufhin zunächst, dass der badenova grundsätzlich eine ausgeprägte Innovations-DNA im Blut liegt und man schon seit Jahren den Anspruch hat, die Welt zu verändern. So wurde bereits mit Gründung ein Innovationsfond von badenova etabliert, bei dem ein Teil der jährlichen Gewinne der Anteilseigner in einen Fonds einfließt, um damit innovative Projekte in der Region zu fördern..

Hellebrand geht dann auf konkrete innovative Lösungen ein, die badenova bereits umsetzt, die durchaus auch hätten im Silicon Valley entstehen können. Ein Beispiel ist der plattform-getriebene Ökosystem-Ansatz für die dezentrale Energiewendefür Privatkunden.. Hierbei gehe es darum, die Bedürfnisse und die Infrastruktur der Kunden zu verstehen, um dann die für den jeweiligen Kunden optimale Energielösung zu finden. Die Plattform vermittelt Solaranlagen, Batterien und andere Produkte von Hardwareherstellern, während das regionale Handwerk eingebunden wird, um die Produkte zu installieren und zu warten. badenova arbeitet zudem mit Partner wie Bausparkassen und Banken zusammen, um die Finanzierung sicherzustellen.

Weiterhin betont Hellebrand, dass badenova sich hierbei klar auf ihre Kernkompetenzen konzentriert, nämlich die Beziehung zu ihren Kunden und das Wissen um Energie. Bei der Suche nach der optimalen Lösung sei es jedoch wichtig, mit Partnern und Experten zusammenzuarbeiten, um eine ganzheitliche optimale Lösung zu finden. Hellebrand spricht von einem "Uber- oder Airbnb-Ansatz" im Energiebereich und betont, dass badenova nicht nur hierbei den Anspruch hat, Vorreiter in Sachen Energieinnovation zu sein.

Vom Silicon Valley zu badenova: Der deutsche Mittelstand kann mithalten!

Seine Leidenschaft für IT und Innovation führten Hellebrand 2015 als SVP Global Innovation & Cooperation zu Innogy, direkt ins Herz des Silicon Valley. Dort trieb er drei Jahre lang die Gründung und Entwicklung des InnovationsHUB maßgeblich voran. Trotz der kulturellen Unterschiede zwischen dem Silicon Valley und einem bodenständigen Traditionsunternehmen wie badenova, fühlte er sich von Anfang an wohl und wurde herzlich empfangen. Er beschrieb das Silicon Valley als ein unternehmerisches Umfeld, bei dem man viel anpackt.

“Im Vergleich zu vielen Erfahrungen in Großkonzernen finde ich die Haltung und das Mindset, die ich bei Mittelständlern in regionalen und kommunalen Unternehmen vorfinde, viel ähnlicher dem Silicon Valley als in einem Großkonzern.”

Partizipative Gestaltung des Strategieprozesses

Hans-Martin Hellebrand wechselte also erst vor zwei Jahren zu badenova und schaffte es gemeinsam mit seinem Co-CEO-Kollegen und der ganzen Mannschaft in dieser kurzen Zeit, das Unternehmen strategisch komplett neu aufzustellen. Eine beachtliche Bilanz: Wie ist er diese Transformation angegangen, um zu derartigen Ergebnissen zu kommen?

Zunächst haben sie sich ein Zielbild gesetzt, um einen Orientierungspunkt für die weitere Arbeit zu haben. Dabei war es ihnen wichtig, das gesamte Unternehmen einzubeziehen, indem sie Stimmen aus allen Hierarchieebenen gesammelt und ein partizipatives Vorgehen gewählt haben. Das Ziel war es, ein Bild zu finden, das von allen Mitarbeitenden geteilt wird und als Antrieb dient. Dieses Zielbild wurde dann iterativ weiterentwickelt und schließlich als Nordstern für die Strategiearbeit genutzt.

Dabei wurden konkrete Handlungswege identifiziert, die in Richtung des Ziels führen, wie beispielsweise das Neudenken des Gasnetzes oder die Umsetzung einer dezentralen Energiezukunft für Kunden. Hellebrand betont, dass es wichtig war, dass jede:r Mitarbeiter:in sich mit dem Prozess identifizieren konnte und Ownership für die eigene Arbeit hatte. Dies wurde durch das partizipative Vorgehen und die gemeinsame Arbeit an dem Zielbild erreicht.

Wie badenova geteilte Führung und OKR einsetzt

Muss am Ende wirklich nur eine:r in einem Unternehmen hauptverantwortlich entscheiden, damit es zum Erfolg geführt werden kann? badenova beweist das Gegenteil. Hellebrand beschreibt ihre Governance-Struktur als ein Zweier-Vorstand, bei dem es keinen Primus inter Pares gibt. Stattdessen leitet er das Unternehmen gemeinsam mit seinem Kollegen Heinz-Werner Hölscher als Team, ohne dass einer mehr zu sagen hat als der andere. Obwohl jeder von ihnen Fokusbereiche hat, führen sie die Verantwortung unternehmerisch als Ganzes.

badenova setzt auch auf eine Methodik namens OKR (Objectives & Key Results) bei der das Unternehmen zu Beginn eines jeden 4-Monats-Zyklus konkrete Ziele in Form handfester, gewünschter „Outcomes“ festlegt, auf die innerhalb dieses Zeitraums hingearbeitet werden soll. Wichtig sei hierbei die dialogische Zusammenarbeit mit dem Team auf dem Weg der Zielerreichung in einem Sprint sowie die Durchführung einer Retro- und Review-Analyse am Ende eines Zyklus, um kontinuierlich besser zu werden.

. Die Konsequenz dieses Modells ist eine dialogische Zusammenarbeit und eine stärkere Einbindung der Mitarbeitenden in Entscheidungsprozesse. Darüber hinaus fördert es auch eine Kultur der Zusammenarbeit und des Teamworks im gesamten Unternehmen.

Eingeführt hat badenova diese Methodik dabei sehr „niederschwellig“, in dem mit den Teams zunächst die „Top-Themen“ im nächsten Sprint festgelegt wurden. So wurde der Wert der Methodik sehr klar und erst in kommenden Sprints wurde die dann schon etablierte „Denkschule“ kontinuierlich ausgefeilt.

Der Ratschlag des Tages von Hans-Martin Hellebrand

Christian fragt abschließend, welche Fähigkeiten nun wirklich entscheidend sind, um in einem sich ständig wandelnden Umfeld erfolgreich zu sein. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Hellebrands Zeit im Silicon Valley ihn lehrte, stets nach außen zu schauen, um Veränderungen und Chancen wahrzunehmen und Mut zu haben, neue Ideen und Konzepte umzusetzen. Auch wenn sie mit einem gewissen Risiko des Scheiterns verbunden sind. Abschließend hebt er hervor, dass das Lernen aus Fehlern und die Anpassung der Strategie entscheidend sind, um in einem sich ständig wandelnden Umfeld dauerhaft erfolgreich zu sein.